Gedruckte Vorflügel am Hortenflügel

Bericht von Uli Roidl.


Nach dem Nuritreffen 2017 in Scherfede hatte Alfons Gabsch die Idee, einen Hortenflügel mit Impeller zu bauen. Die Berechnungen zeigten, dass er mit einer Landegeschwindigkeit von ca 70 km/h "hereinrauschen" würde. Bei meinem Besuch in der Flugwerft Oberschleißheim fiel mein Blick auf die ausgestellte Me 163B mit ihren Vorflügeln, damals C-Schlitze genannt.

Me 163B im Oberschleißheim Me 163B im Oberschleißheim


Es entstand ein reger Austausch zwischen Alfons, John Yost und Florian Rösch, um den Flügel bei der Landung langsamer zu machen. Die Frage blieb offen, ob die C-Schlitze von Alexander Lippisch auch bei einem Hortenflügel mit seiner "extremen" Schränkung am Außenflügel funktionieren würden oder nicht. Die Meinungen gingen auseinander und konnten theoretisch nicht endgültig geklärt werden.

Auch die Frage, wie und aus welchem Material die Vorflügel "geschnitzt" werden könnten, blieb vorerst unbeantwortet. Aus Balsa schleifen, bei der Verwindung und Verjüngung der Nasenleiste, das traute ich mir nicht zu. Die Vorflügel aus GfK herzustellen, verlangte nach einer Form und würde wohl zu schwer ausfallen. Und eigentlich war ich eher der "Holzwurm" und für den Formenbau zu "grün" hinter den Ohren.

Aber ich war bereit, dafür meinen Stiletto in Rippe, der den gleichen Pfeilwinkel wie Alfons Impeller-Jet mit 140 cm Spannweite hatte, zu opfern und John Yost übernahm die Aufgabe, die C-Schlitze zu rechnen und dafür die Zeichnung zu erstellen.



Hier der Bericht von John zur Auslegung:

Geplant habe ich eine Kombination aus Vorflügel und Nasenleiste, die in die entsprechend ausgeklinkte Tragfläche eingesetzt wird. Dazu benutze ich die Programme JavaFoil (M. Hepperle) für die Auslegung sowie Rhino6 für die 3D-Konstruktion. Die Vorlage der Flügelkonstruktion stammt von Raimund Sonst, der den Nurflügel "Stiletto" im Programm hat und auch einen Fräsbausatz anbietet.

Anregungen für die geometrische Auslegung findet man in alten NACA Reports (z.B. 407 und 732 ) sowie Zeichnungen im Internet, wie z.B.:

Generalized slot geometry
Symbolskizze C-Schlitz (Quelle: RC-Network.de)


Dieser C-Schlitz bewirkt eine deutliche Erhöhung des lokalen Anstellwinkels sowie eine Verbesserung der Steuerbarkeit. Erreicht wird dies durch Zufuhr energiereicher Luft von der Unterseite im Nasenbereich zur Oberseite des Profils, um dort die Grenzschicht zu stabilisieren. Dadurch wird der Abriss verzögert. Der Eintritt des Schlitzes auf der Unterseite wird so positioniert, das er vor dem Staupunkt des normalen Profils liegt, der sich kurz vor dem Ablösen der Strömung einstellt (der Punkt, an dem der lineare Abschnitt der Auftriebsgradienten-Kurve CA=f(α) nichtlinear wird). Der Austrittspunkt liegt bei etwa 25% der Profiltiefe.

Auftriebskoeffizient über Anstellwinkel

Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Vorteile mit einen zusätzlichen Widerstand über den gesamten Geschwindigkeitsbereich erkauft wird.

In der nachfolgenden Abbildung sieht man die Auswirkung des C-Schlitzes auf die Druckverteilung im Nasenbereich bei 15° Anstellwinkel (Ergebnis JavaFoil).

Druckverteilung im Nasenbereich bei 15°

Die mit JavaFoil ermittelten Ergebnisse zeigen eine deutliche Erhöhung des maximalen Anstellwinkels (und damit auch ein größerer Auftriebsbeiwert), an dem das Profil abreißt:

Alpha max über dem Anstellwinkel

Aus den Rechnungen ergeben sich folgende maximalen Anstellwinkel und Auftriebsbeiwerte:

ReZahl
ohne Slot
α / ca
mit Slot
α / ca
100 000 9,5° / 0,9 13° / 1,3
250 000 10,5° / 1,0 ∼15° / 1,45


3D Modell der Vorflügel

Die Begeisterung wuchs und eines Tages kam von Florian Rösch der Anruf, dass mit Johns Daten die Vorflügel auch mittels 3-D Druck hergestellt werden könnten und er kenne jemand, der sie auch drucken könne. So kam Michael Christou ins Team, für den Florian Modelle gerechnet hatte, die Michael gedruckt und dann geflogen hatte.

Michaels Aufgabe war es nun, zusätzlich Abstandshalter zu entwerfen und Wege zu finden, wie alles drucktechnisch auch realisiert werden kann.



Hier kommt Michaels Bericht:

Die Herausforderung war, so leicht wie möglich aber stabil genug zu drucken. Um auch noch Profiltreue zu erreichen, blieb nur der s.g. Spiralvasendruck ohne Innenstruktur. Dabei wird die Außenkontur als Spirale gedruckt. Die so entstandenen hohlen Profile haben eine Wanddicke von 0,6 mm.

Erste Testdrucke
erste Versuche im 3D Druck
erste Versuche im 3D Druck

Endresultat: Lagerböcke und Distanzstücke
erste fertige Teile

2 komplette Sätze, die noch verstiftet und verleimt werden müssen
zwei fast fertige Sätze



Und jetzt zum Um- und Einbau und zur Flugerprobung

Erstmal ein herzliches Dankeschön an Raimund, der die Daten des Stiletto zur Verfügung stellte, an John, der den Vorflügel daraus berechnete, Florian Rösch, der den Kontakt zu Michael herstellte, der die filigranen Kunstwerke tatsächlich gedruckt hat. Und es war ein Genuss, die zarten Teile, in die genialen Steckungen einzupassen und die Abstandshalterungen einzukleben. Da werde ich wirklich andächtig, denn so hätte ich es mit Schleifen und Profillehren nicht hinbekommen.

Ausklinken des Flügels
Flügel für die C-Schlitze ausgeschniten

Einpassen
3D Druckteile in die Flügelausschnitte einpassen

Verleimen
3D Druckteile in die Flügelausschnitte einkleben

3D Druckteile in die Flügelausschnitte einkleben

Da Michael unsicher war, wie die Vorflügel auf direkte Sonneneinstrahlung reagieren ("die werden weich wie Kaugummi") oder sich bei der Landung im Gras verhalten würden, habe ich die kompletten Vorflügel mit 25g GfK-matte überzogen. Sie halten bis heute (März 2025).

Flugfertig
Flugfertig

Äußerlich optimistisch - innerlich mit weichen Knien zum Start...
Vor dem Erstflug

Der Rest war einfache Routine und es passte alles genau dahin, wo es hingehörte. Auch das Gewicht (1080 g) blieb nach den Einbauten fast identisch. Der Stiletto fliegt mit einem 3S-Lipo und einem Torcster black, 2215-3800 und einer Graupner Carbon 5,2x5,2.


Erstflug am 13.05.2018

Die Unsicherheiten:
dominierten die gesamten Vorbereitungen.

Und mit all den Vorgesprächen ließen sich Bücher füllen. Die Realität??

Spektakulär waren allein meine wabernden Gedanken und die zittrigen Knie. Alles andere wie gewohnt:

Start an der Flitsche: wie üblich die schnelle Beschleunigung und dann...... flog der Stiletto einfach.
Im Schnellflug sind die Veränderungen wohl marginal, also ohne Logs kaum feststellbar. Im Langsamflug nimmt der Flügel seine gewohnte Grundgeschwindigkeit ein- auch keine große Veränderung. Aber beim Landen flog dann der Stiletto schon mal wesentlich weiter und länger als gewohnt. Die C-Schlitze sind dabei stabil genug, um Landungen im mittelhohen Gras (Viehweide kein Golfplatz) gut zu überstehen. Auch hochsommerliche Temperaturen haben ihre Konsistenz kaum merklich beeinflusst.

Inzwischen hab ich den Stiletto mit C-Schlitzen ca. 15 Mal bei verschiedensten Windverhältnissen geflogen. Wichtigste Veränderung zu früher: ich habe die Höhenruderausschläge auf Drängen von John um 15% vergrößert!!! Damit kann ich den Stiletto im Langsamflug noch weiter anstellen, als ohne C-Schlitze und - jetzt kommt‘s - der Strömungsabriss kommt wesentlich später, wenn er überhaupt kommt.

Ich habe am 4.August 2018 morgens um 6:45 Uhr bei absoluter Windstille den Stiletto mit abgeklebten Vorflügeln geflogen und versucht, ihn mit den vergrößerten Höhenruderausschlägen auch anzustellen. Die Strömung riss ab und der Hortenflügel drehte nach links weg.

Dann habe ich die abgeklebten Schlitze wieder frei gemacht und bin wieder geflogen:

Und dabei sieht man, dass auch ohne Wind die C-Schlitze wirken, wenn auch nicht so gravierend, wie bei Windeinfluss.

Hier das Video bei Windstille, ergänzt mit einigen Infos:


Beim Nuritreffen in Wünneberg blieb der Stiletto bei Sturmwind fast in der Luft angestellt stehen:
Logdaten Auswertung

Ich hab nach den erfolgreichen Flügen einen zweiten Stiletto von Alfons Gabsch in Styro - Abachi gebaut, mit den Vorflügeln ausgerüstet (1590g schwer) und geflogen. Die Landegeschwindigkeit betrug ohne Vorflügel ca. 70 km/h, mit Vorflügeln 40 km/h. Die Logs zu den Flügeln sind leider mit meiner externen Festplatte verschieden. Hier noch ein Bild dazu:

Version in Sytro-Abachi



Zusammenfassung:

Das Projekt "C-Schlitze" am Hortenflügel Stiletto 1,4 war in meinen Augen ein voller Erfolg, denn durch die 3-D-gedruckten festen Vorflügel
Und Alfons Gabsch?
Hat seine Impeller-Horten mit einer unterseitig angebrachten Heckklappe beim Landeanflug deutlich langsamer machen können. Bis ca 15 Grad liegt die Klappe am Rumpf an, bei größeren Ausschlägen entsteht ein Spalt und damit Durchfluss der Strömung. Alfons landet jetzt mit ca 50 km/h. Ein anderer Weg mit positivem Ergebnis.

Bremsklappe von Alfons


Zum Abschluss noch ein Foto vom Nuri Treffen in Wünneberg.
Projektbeteiligte

Von links: John Yost, Uli Roidl, Alfons Gabsch und Florian Rösch.


Uli Roidl