Nurflügel mit künstlicher Hochachsstabilität


Um mit meinen Sauriermodellen, aber vor allem mit den geplanten Vogelnachbauten weiterzukommen, war es erforderlich das Problem der Richtungsstabilität genauer zu erforschen. Aus diesem Grund entstand das hier beschriebene Versuchsmodell.


"Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn mann nichts mehr wegnehmen kann. Die Maschine in höchster Vollendung wird unauffällig."
Antoine de Saint-Exupery

Jedes Flugmodell benötigt für einen stabilen Flug ein Mindestmaß an Richtungstabilität, welche in der Regel von einem Seitenleitwerk am langen Hebel erzeugt wird. Eine weitere Möglichkeit besteht in einer ausreichend starken positiven Pfeilung (zB.Horten). Doch gerade beim Nachbau von Vogelmodellen sind beide Varianten nur bedingt anwendbar, will man auf Vorbildtreue nicht verzichten.

Die Idee zur Lösung des Problems ist folgende:
Ein Schiebewinkelsensor registriert Winkelabweichungen der Strömung zur Rumpflängsachse und gibt seine Werte an Spreizklappen als Stellglied weiter - ein geschlossener Regelkreis übernimmt somit die Stabilisierung.

Gesagt gatan, also ging es ans Werk. Ein einfacher Brettnurflügel wurde für diese Steuerung konstruiert. ( die Funktion der Quer/ Höhenruder - Spreizklappe habe ich bereits im Kapitel über den neuen GFK-Saurier beschrieben) Hier einige Bilder der Bauphase:


Ein Brettnurflügel ohne vertikale Flächen

Der Sensor besteht aus einer winzigen Windfahne, welche magnetisch gelagert und gedämpft, sich sehr leicht dreht und ihre Bewegung an einen optoelektronischen Geber umsetzt (funktioniert ähnlich wie eine Computermaus).


Schiebewinkelsensor

Der Sensor übernimmt also die Funktion des Seitenleitwerkes indem er über die Spreizruder einen Widerstand erzeugt und damit auf die Hochachse einwirkt. Quer und Höhe wird weiterhin per Fernsteuerung vom Piloten gesteuert.



Praktische Erprobung: Da ich (manchmal) meinen Konstruktionen nicht ganz traue, verpaßte ich dem Modell zunächst noch ein Seitenleitwerk, welches ich dann durch absägen Schritt für Schritt verkleinerte, bis ein "wahrer" Nurflügel entstand.


Noch mit Seitenleitwerk u. deaktivierten Sensor Der erste Flugversuch verlief völlig problemlos, so daß ich den zweiten Versuch mit gekürzten Leitwerk und aktiven Sensor wagte.


noch wirksam ist

Die Steuereigenschaften mit Leitwerk waren "Brettnurflügeltypisch" d.h.: relativ träge Reaktionen auf das Querruder bei guter Höhenruderwirkung. Doch nun sollte die Sensorsteuerung in Aktion treten. Deshalb entfernte ich das restliche Seitenleitwerk und startete das Modell erneut. Der Nurflügel flog gleichmäßig den Hang hinab und ich entschloß mich eine Kurve einzuleiten. Also gab ich Querruder rechts und wartete was passiert. Nach unendlich langer< Zeit ( etwa 1s ) öffnete sich die rechte sensorgesteuerte Spreizklappe und das Modell kurvte sauber ein. Beim Ausleiten der Kurve das gleiche Spiel - eine träge Reaktion auf das Querruder ! Die Sensorsteuerung hatte funktioniert wenn auch die Steuerreaktion nicht optimal war.

Nach der Landung durchdachte ich noch einmal in Ruhe den Ablauf der Steuerreaktion und kam zu folgender Erkenntnis: Da die Spreizklappe beim Kurvenflug faßt vollständig geöffnet war, heißt daß, der Nurflügel flog mit  ca 25° Schiebewinkel, denn dieser Wert ergibt sich aus der Einstellung des Sensors. Interessant dabei ist, daß dies visuell absolut nicht zu erkennen war. Daraus ergibt sich auch eine Erklärung für das träge Steuerverhalten : Beim Einleiten einer Kurve dreht sich der Flügel erst gegen die gewünschte Kurvenrichtung ehe sich durch Öffnen der Spreizklappe das Kräfteverhältnis verschiebt. Für Brettnurflügel mit Seitenleitwerk gilt das Gleiche: die viel zu kleinen Seitenleitwerke, die zudem noch am kurzen Hebel arbeiten, können erst bei sehr großen Anstellwinkel wirkungsvoll dem negativen Wendemoment entgegentreten. Nach dieser Feststellung galt es also, eine Drehung gegen die Kurvenrichtung, beim Einleiten einer Kurve zu verhindern. Zu diesem Zweck montierte ich den Sensor auf ein Servo, welches mit dem Querruder gemischt ist und somit beim Einleiten einer Kurve die Grundachse verstellt.

Bei den anschließenden Testflügen war nun keine "falsche Drehung" mehr festzustellen. Der Nurflügel reagierte jetzt plötzlich fast ohne Verzögerung auf die Richtungsteuerung.

Nur ein Flügel...

Das Modell, eigentlich nur als Versuchsstudie konzipiert, entwickelte sich nun dank der guten Steuereigenschaften und nach Einbau eines E-Antriebes zum brauchbaren Thermikflieger. Ein Nachteil dieser Art der Steuerung sei aber nicht verschwiegen: Ein Seitenleitwerk hat nicht nur die Aufgabe die Richtung zu stabilisieren, sondern auch eine Gierdämpfung zu bewirken - dies kann der Sensor natürlich nicht !  Dies führte manchmal zu seltsamen taumelartigen Flugzuständen welche mitunter schwierig auszusteuern waren. Abhilfe ist hierbei nur durch den Einsatz eines Kreisels oder durch eine konstruktive Gierdämpfung etwa in Form einer gebogenen Fläche (Weltenseglerknick) möglich. Alles in allem konnte ich mit dieser Versuchskonstruktion viele wertvolle Erkenntnisse zum Steuerverhalten von Nurflügel gewinnen. Den Bau von naturgetreuen Vogelmodellen stand nun nichts mehr im Wege.

Technische Daten: